Fragen an Dr. Andreas Erb, ltd. Betriebsarzt AbbVie
"Da sich das Leben für fast jeden von uns in sehr kurzer Zeit drastisch verändert hat, ist der Beratungsbedarf sehr groß und betrifft nicht nur gesundheitliche Fragestellungen, sondern oftmals auch psychosoziale Themen, denn häufig müssen unterschiedliche Tätigkeiten in Einklang gebracht werden: Beruf, Kinderbetreuung, häusliches Umfeld mit teilweise schwierigeren Arbeitsbedingungen." Über den Umgang bei AbbVie mit diesen Herausforderungen, die Veränderung in der Arbeitswelt und die Auswirkungen auf das Gesundheitsmanagement in agilen Strukturen sprachen wir mit Dr.Andreas Erb.
prevent.on: Die Arbeit der Werks- bzw. Betriebsärzte ist umfassend: sie impfen, behandeln akute Notfälle am Arbeitsplatz, beraten umfassend bei Reisetätigkeiten, sind medizinischer und/oder psychologischer Berater in Bezug aufarb eitsplatzbezogene Risikokonstellationen, kümmern sich um das betriebliche Gesundheitsmanagement und und und. Wie hat sich Ihre Arbeit im Zuge der Corona-Krise verändert? Welches sind die drängendsten Fragen/Herausforderungen?
Aktuell konzentriert sich unsere Tätigkeit auf
die Gesundheitsfürsorge für die Mitarbeiter*innen. Wir arbeiten in einer
multidisziplinär besetzten Task Force an generellen Regelungen und Schutzkonzepten mit,
sind für das Case-Management von Mitarbeiter*innen, die an Covid-19 erkrankt
sind, zuständig und fungieren als (arbeits-)medizinische Ansprechpartner*innen
für die Beschäftigten. Da sich das Leben für fast jeden von uns in sehr kurzer
Zeit drastisch verändert hat, ist der Beratungsbedarf sehr groß und betrifft nicht
nur gesundheitliche Fragestellungen,sondern oftmals auch psychosoziale Themen.
prevent.on: New work und
agiles Arbeiten gelten als Zukunftskonzepte der Arbeitswelt. Katapultiert uns
die aktuelle Situation nicht viel schneller als gedacht in diese neue Reali ät?
Und wenn ja, welche Auswirkungen sehen Sie schon jetzt in der Betriebsmedizin?
Sehr viele Mitarbeiter*innen mussten sich ad
hoc auf das Arbeiten von zu Hause aus einstellen. Dabei müssen häufig mehrere Aspekte
miteinander in Einklang gebracht werden: Berufliche Tätigkeit, Kinderbetreuung,
häusliches Umfeld mit teilweise schwierigeren Arbeitsbedingungen. Das verlangt
den Mitarbeiter*innen sehr viel ab und beinhaltet das Risiko einer stärkeren
Belastung oder, im Ausnahmefall, Überlastung mit möglichen gesundheitlichen
Folgen. Aus diesem Grund haben wir zusammen mit Human Resources und der
Arbeitssicherheit zahlreiche Angebote auf die Kolleg*innen im Homeoffice ausgerichtet.
Aus dem Bereich der Gesundheitsförderung sind hier insbesondere
angepasste Bewegungs- und Entspannungsangebote sowie Angebote zur
psychosozialen Gesundheit zu nennen. Als Betriebsärzt*innen bieten wir für diese
Zielgruppe auch eine Videosprechstunde an, bei der wir gesundheitliche Fragen
besprechen können.
prevent.on: Hierarchie,
patriarchisches Führen und Kontrolle ist für andere hingegen wichtiger Bestandteil einer
erfolgreichen Führungskultur. Welche gesundheitlichen
Auswirkungen haben Social distancing mit Home-Office und Arbeiten bzw. Führen auf Distanz
aus Ihrer Sicht auf Ihr Unternehmen? Welche Maßnahmen müssen aus der
Sicht des BGM heraus hier getroffen werden?
Die Gesamtheit der Schutzmaßnahmen hat natürlich eine Auswirkung auf zwischenmenschliche Aspekte im Zusammenleben. Das gilt gleichermaßen für das Berufs-, wie auch das Privatleben. Die Führungskräfte sind hier sicher mehr gefordert als in normalen Zeiten, meistern diese Herausforderung bei AbbVie aber aus meiner Sicht sehr gut. Und wir merken auch, dass die guten Arbeitsbeziehungen, die wir in der Vor-Corona-Zeit mit den Mitarbeiter*innen und Führungskräften aufgebaut haben, sich jetzt bewähren. Die Zahl der Kontakte mit den Kolleg*innen ist konstant hoch und wir bekommen viele positive Rückmeldungen, dass wir für sie da sind.
prevent.on: Einer Ihrer Arbeits-
und Beratungsbereiche ist Führung und Gesundheit. Wenn wir davon ausgehen, dass
relevante Aspekte von Führung nach der Corona-Krise eine andere sein
werden als bisher, welche Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter
erwarten Sie?
Ich gehe davon aus, dass wir eine neue und
andere Arbeitsrealität haben werden. Es werden mehr Menschen im Homeoffice arbeiten
wollen und können, was für uns Betriebsärzt*innen ein Umdenken in Bezug auf
die gesundheitliche Betreuung und die Angebote der Gesundheitsförderung bedeuten
wird.
prevent.on: Kurzarbeit und
auch Arbeitsplatzverlust sind aktuelle Themen in Deutschland. Wie leistet die
Betriebsmedizin auch in Zeiten von Arbeitsplatzunsicherheit Unterstützung?
Wir sind dankbar, in der glücklichen Lage zu
sein, dass es bei AbbVie im Zuge der Corona-Pandemie keine Stellenstreichungen oder
Kurzarbeit absehbar sind. Diese Garantie hat unser CEO Rick Gonzalez gegeben
und damit in dieser schwierigen Zeit ein besonderes Zeichen an alle AbbVie-Mitarbeiter*innen
weltweit gesendet.
prevent.on: Welcher Fall,
welche Konstellation oder auch welche Hilfsmaßnahme haben Sie in den
vergangenen Wochen besonders berührt und warum?
Ich bin von dem Engagement und der Einsatzbereitschaft aller Kolleg*innen sehr angetan. In einer Situation wie dieser, in der permanent weitreichende Entscheidungen getroffen werden müssen, spüre ich einen starken Zusammenhalt, der mich sehr begeistert.
prevent.on: Sie sind als
Vordenker im BGM und kreativer Geist bekannt. Welche Innovationen treiben Sie aktuell
um? In welche Richtung muss die digitale Entwicklung beim BGM gehen?
Vor dem Hintergrund der sich ad hoc veränderten Arbeitswelt müssen wir uns aus meiner Sicht deutlich intensiver, umfassender und schneller als erwartet damit befassen, wie wir Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement digitalisieren können. Wir müssen die Chance nutzen, neue Wege zu gehen, da ich davon ausgehe, dass in Zukunft deutlich mehr Mitarbeiter*innen digitale Angebote nutzen wollen.