Fühlen Sie sich manchmal, als hätten Sie Ihren beruflichen Erfolg gar nicht verdient? Haben Sie die Sorge, irgendwann als „Betrüger:in“ entlarvt zu werden – obwohl es dafür keine Beweise gibt? Dann sind Sie nicht allein. Viele Menschen kennen diese quälenden Selbstzweifel. Psycholog:innen sprechen vom Impostor-Syndrom, auch Hochstapler-Syndrom genannt (Clance & Imes, 1978).
Was ist das Impostor-Syndrom?
Es ist kein Krankheitsbild, sondern ein tief verwurzeltes Denkmuster: Trotz objektiver Erfolge glauben Betroffene, nicht kompetent genug zu sein. Statt die Leistung auf Können zurückzuführen, schreiben sie sie oft Glück oder Zufall zu. Typische Gedanken sind:
Diese Gedanken führen oft zu übertriebener Selbstkritik,
Perfektionismus und dem Gefühl, ständig mehr leisten zu müssen. Das kann Stress
und Überarbeitung auslösen oder dazu führen, Chancen zu meiden (Kumar &
Jagacinski, 2006).
Risikofaktoren und psychologische Hintergründe:
Das Impostor-Syndrom tritt häufig in wettbewerbsorientierten Umfeldern auf und betrifft besonders Menschen mit hohen Ansprüchen an sich selbst oder wenig emotionaler Bestätigung. Persönlichkeitsmerkmale wie Neurotizismus, niedriges Selbstwertgefühl und Perfektionismus erhöhen das Risiko, während Eigenschaften wie Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit eher schützen (Vergauwe et al., 2015). Auch belastete zwischenmenschliche Beziehungen können die Impostor-Gefühle verstärken.
Zusätzlich spielen soziale Vergleiche und stereotype
Erwartungen – etwa in Bezug auf Geschlecht oder Herkunft – eine wichtige Rolle
bei der Entstehung von Selbstzweifeln. Studien zeigen, dass Frauen und Männer
ähnlich häufig betroffen sind. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass
Frauen ihre Zweifel meist offener ausdrücken, während Männer diese oft
verbergen (Bravata et al., 2020). Entscheidend ist: Beim Impostor-Syndrom
handelt es sich nicht um fehlende Kompetenz, sondern um eine verzerrte Selbstwahrnehmung
(Cokley et al., 2013). Institutionelle Faktoren, wie Arbeitskulturen, die immer
wieder die Kompetenz oder Zugehörigkeit von Mitarbeitenden infrage stellen,
können das Gefühl des „Hochstaplers“ zusätzlich verstärken (Bravata et al.,
2020).
Auswirkungen auf die Arbeitsleistung:
So gehen Sie besser damit um:
Fazit:
Das Impostor-Syndrom ist weit verbreitet, aber oft verborgen. Indem Sie Ihre inneren Kritiker hinterfragen, sich selbst anerkennen und offen mit Unsicherheiten umgehen, können Sie ein gesünderes Verhältnis zu Leistung und Selbstwert entwickeln. Sie haben Ihren Platz verdient – gerade wegen Ihrer Fähigkeiten.
Literaturverzeichnis:
Bravata, D. M., Watts, S. A., Keefer, A. L., Madhusudhan, D. K., Taylor, K. T., Clark, D. M., ... & Hagg, H. K. (2020). Prevalence, predictors, and treatment of impostor syndrome: a systematic review. Journal of General Internal Medicine, 35(4), 1252–1275. https://doi.org/10.1007/s11606-019-05364-1
Clance, P. R., & Imes, S. A. (1978). The Impostor Phenomenon in High Achieving Women: Dynamics and Therapeutic Intervention. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 15(3), 241–247. https://doi.org/10.1037/h0086006
Kumar, S., & Jagacinski, C. M. (2006). Impostors have goals too: The impostor phenomenon and its relationship to achievement goal theory. Personality and Individual Differences, 40(1), 147–157. https://doi.org/10.1016/j.paid.2005.05.014
Vergauwe, J., Wille, B., Feys, M., De Fruyt, F., & Anseel, F. (2015). Fear of being exposed: The trait-relatedness of the impostor phenomenon and its relevance in the work context. Journal of Business and Psychology, 30, 565–581. https://doi.org/10.1007/s10869-014-9382-5
Cokley, K., McClain, S., Enciso, A., & Martinez, M. (2013). An examination of the impact of minority status stress and impostor feelings on the mental health of diverse ethnic minority college students. Journal of Multicultural Counseling and Development, 41(2), 82–95. https://doi.org/10.1002/j.2161-1912.2013.00029.x