21. Jul 2021

Entscheidungshilfen bei einer Impfung von Kindern.

21. Jul 2021

Die anstehende vierte Welle und die Sommerferien beleben die Diskussion um die Impfung von Kindern. Folgender Artikel ermöglicht Ihnen eine Orientierungshilfe.

PreventON

In den USA ist in die Produktinformationen der COVID-19-mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna ein Warnhinweis auf ein erhöhtes Risiko von Myokarditis und Perikarditis integriert worden. Die US-amerikanische Behörde meldete bisher insgesamt 1.226 Fälle, 791 zur BioNTech- und 435 zu den Moderna-Vakzinen. Den Fällen von Myokarditis oder einer Perikarditis stehen allerdings mehr als 50 Millionen Impfdosen gegenüber, die bis dahin an zwölf bis 29-Jährige verabreicht wurden. Insgesamt überwiege laut WHO der Nutzen der Impfung gegenüber den Risiken eindeutig. Wie bereits in vorangegangenen Auswertungen treten die Herzmuskel- und beutelentzündungen mehrheitlich innerhalb weniger Tage nach der zweiten Dosis auf. Die Betroffenen sind im Durchschnitt 30 Jahre (Dosis 1) bzw. 24 Jahre (Dosis 2) alt und überwiegend männlich (66% bzw. 79%). Das höchste Risiko wurde bei männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren und jungen Männern zwischen 18 und 24 Jahren verzeichnet. Bei ihnen werden innerhalb von sieben Tagen nach der zweiten Impfung mindestens etwa 30-mal so viele Erkrankungen beobachtet als erwartet. Zudem wird erstmals ein vermehrtes Auftreten der entzündlichen Herzerkrankungen bei Mädchen und jungen Frauen beschrieben. Deshalb ist in den USA ist in die Produktinformationen der COVID-19-mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna ein Warnhinweis auf ein erhöhtes Risiko von Myokarditis und Perikarditis integriert worden.

Die CDC und die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA betonen, dass sich die Beschwerden bei den meisten Betroffenen, während der bislang kurzen Nachbeobachtungszeit, zurückgebildet haben. Den aktuellen Daten zufolge treten bei unter 30-Jährigen vor allem Brustschmerz, Atemnot, erhöhte kardiale Enzyme (Blutwerte) und/oder EKG- bzw. Veränderungen im Herzultraschall auf. Allerdings sind 9 (3%) von 309 stationär Aufgenommene dieser Altersgruppe, deren Meldungen bereits analysiert sind und deren Symptome und Befunde die Falldefinition der CDC erfüllen, zum Berichtszeitpunkt weiterhin im Krankenhaus, darunter 2 auf der Intensivstation. Bei 218 (79%) von 295 aus dem Krankenhaus Entlassenen ist bekannt, dass sie sich erholt haben – jedoch besteht kein Wissen darüber, was mit den übrigen Patienten ist. Zudem fehlen derzeit Daten zu möglichen längerfristigen Schäden. Diese sollen in den nächsten Monaten erhoben werden.

Das Beraterkomitee (mehrere US-amerikanische Behörden und Fachgesellschaften, darunter CDC, American Academy of Pediatrics, American College of Physicians und Infectious Diseases Society of America) veröffentlicht eine gemeinsame Stellungnahme, in der alle Personen ab zwölf Jahren eindringlich zur Impfung gegen COVID-19 aufgerufen werden, da der Nutzen weitaus größer sei als jeglicher Schaden - insbesondere angesichts der aktuell steigenden Infektionen mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2. Die Nutzen-Schaden-Analysen legen ebenfalls nahe, dass die Vorteile der Immunisierung im Hinblick auf verhinderte COVID-19-Erkrankungen, Krankenhaus- und intensivmedizinische Behandlungen sowie Todesfälle in allen Altersgruppen und für beide Geschlechter das Risiko einer Myokarditis/Perikarditis überwiegen. Die Analysen lassen sich aufgrund unzureichender Angaben jedoch kaum nachvollziehen. Ob sie auf Deutschland übertragbar sind, ist zudem unklar.

Auch in Großbritannien enthalten die Produktinformationen der beiden mRNA-Impfstoffe inzwischen einen Warnhinweis auf Myo- und Perikarditis.Aussagekräftigen Analysen der dort vorliegenden Verdachtsmeldungen sind nicht publiziert. Die Erkrankungen sollen aber ebenfalls überwiegend mild gewesen sein und die Betroffenen konnten sich unter einer Standardtherapie und Ruhe innerhalb kurzer Zeit erholen.

Wichtig ist, dass Geimpfte rasch einen Arzt aufsuchen, wenn nach der Immunisierung Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit, Palpitationen oder Rhythmusstörungen auftreten.Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist bei entsprechenden Beschwerden differenzialdiagnostisch eine Myokarditis/Perikarditis in Betracht zu ziehen, da koronare Ereignisse als Auslöser in dieser Altersgruppe weniger wahrscheinlich sind. Insbesondere junge Männer (und nach den neuen Daten auch junge Frauen) müssen über das Risikosignal, potenzielle Symptome und das gehäufte Vorkommen nach der zweiten Impfung aufgeklärt werden.

Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch ein. Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat eingeschätzt, wobei Menschen mit chronischen Erkrankungen und vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern. Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe steigt mit zunehmendem Alter und bei bestehenden Vorerkrankungen. Das individuelle Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs kann anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren oder zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.

Bisherige Covid-Fälle nach Altersgruppe und Geschlecht:

  • 15- bis 34-Jährige: männlich 552.701, weiblich 543.998
  • 35- bis 59-Jährige: männlich 688.953, weiblich 730.024
  • 60- bis 79-Jährige: männlich 270.908, weiblich 272.515
  • 80-Jährige und älter: männlich 97.463, weiblich 190.330

Bisherige Covid-Todesfälle nach Altersgruppe und Geschlecht:

  • 15- bis 34-Jährige: männlich 120, weiblich 67
  • 35- bis 59-Jährige: männlich 2.782, weiblich 1.171
  • 60- bis 79-Jährige: männlich 17.862, weiblich 9.365
  • 80-Jährige und älter: männlich 27.188, weiblich 32.562

Grob gehen Experten von bis zu 10 und 20 Prozent aller Infizierten aus, die an Long-Covid erkranken könnten. Manche Studien sprechen sogar von 50 bis 70 Prozent, meinen jedoch die hospitalisierten Patienten oder erfragten Symptome schon kurz nach der Genesung. Bei der Häufigkeit muss daher die Erhebungsmethode, der Beobachtungszeitraum und die Auswahl und das Alter der untersuchten Patienten und Personen berücksichtigt werden. Werden die Symptome nachträglich über Fragebögen erhoben, kann dies die gemeldete Zahl von möglichen Langzeitschäden stark erhöhen, insbesondere je früher sie erfragt werden.

Laut dem Magazin „Science“ geht das israelische Gesundheitsministerium davon aus, dass dort einer von 3000 bis zu einer von 6000 jungen Männern zwischen 16 und 24 Jahren nach der Impfung mit Biontech/Pfizer an einer Herzmuskelentzündung erkrankt ist. Die Rate unter geimpften jungen Männern soll damit 5- bis 25-Mal höher sein als bei Ungeimpften dieser Altersgruppe. In den meisten Fällen sollen die Erkrankungen eher mild verlaufen sein, bei etwa 5 Prozent der Fälle entwickelten die Geimpften aber offenbar stärkere Symptome. Dem Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland für die Überwachung von Impfnebenwirkungen zuständig ist, wurden bis Ende April 16 Fälle von Herzmuskelentzündungen nach der Impfung mit der Vakzine von Biontech/Pfizer gemeldet. Davon traten acht bei Personen zwischen 18 und 29 Jahren auf.

Erstes Fazit: Betrachten Sie das individuelle Risiko des Kindes schwer zu erkranken. Kinder mit Vorerkrankungen, insbesondere starkes Übergewicht, Typ-1-Diabetes oder Asthma oder angeborene Behinderungen sollten ohne Zweifel geimpft werden. Die STIKO veröffentlichte in diesem Zusammenhang folgende Risikofaktoren mit einer Indikation zur Impfung:

  • Angeborene zyanotische Herzfehler (O2-Ruhesättigung < 80%)
  • Schwere Herzinsuffizienz
  • Schwere pulmonale Hypertonie
  • Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion
  • Chronische Niereninsuffizienz
  • Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen
  • Maligne Tumorerkrankungen
  • Trisomie 21
  • Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung
  • Diabetes mellitus (erhöhtes Risiko bei nicht gut eingestelltem Diabetes mellitus mit HbA1c-Werten > 9,0%)
  • Adipositas (> 97. Perzentile des Body Mass Index)
  • Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Immunsuppression

Zweites Fazit: Fernab des individuellen Risikos, gibt es auch eine gesellschaftliche Relevanz. Wir erreichen eine Herdenimmunität sicherlich schneller, wenn wir auch die Gruppe der zwölf bis 17-Jährigen impfen.

Drittes Fazit: Dies können auch mal ganz irdische Gründe sein: Denn vollständig Geimpfte genießen den höchsten Freiheitsgrad beispielsweise insbesondere in der anstehenden Urlaubszeit. Wie relevant sind gewisse Privilegien für Sie?

Dieser Newsletter-Beitrag basiert auf den Veröffentlichungen des Arznei-Telegramms.

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