Wir gehen in den dritten Herbst nach Beginn der Coronaepidemie. Vieles ist anders: hohe Impfquote, eine starke Sommerwelle und angepasste Impfstoffe einerseits, aufgehobene Maßnahmen, potentiell neue Mutationen und eine coronamüde wirkende Gesellschaft andererseits. Zeit für einen kleinen Informationsbooster.
Unübersehbar ist der Herbst eingezogen und die Zeit saisonaler Infektionen angebrochen. Die Behörden haben angepasste mRNA-Impfstoffe zugelassen. Ein guter Zeitpunkt für ein paar Antworten auf häufig gestellte Fragen.
In welcher Phase der Pandemie befinden wir uns und was bedeutet das für den Infektionsschutz?
Im März 2020 traf das neuartige Coronavirus auf eine komplett abwehrlose Bevölkerung. Masken, Abstand und Kontaktbeschränkungen waren die einzigen Optionen zur Eindämmung der Verbreitung von SARS-CoV-2. Mittlerweile sind über 76 % vollständig geimpft und laut RKI wurden über 33 Millionen Infektionen registriert. Viele davon in der vergangenen Sommerwelle. Die Immunität der Bevölkerung ist also breit aufgestellt. Das Virus reagiert darauf naheliegend: mit Mutationen, also einer Immunflucht. Der Schutz vor einer Infektion für dreifach geimpfte liegt aktuell nur bei 30 bis 40 %, was die zahlreichen Durchbruchinfektionen erklärt. Der Schutz vor einer schweren Infektion, bei dem Gedächtnis- und T-Zellen eine große Rolle spielen, ist weiterhin gut. Das Ziel, die Anzahl schwerer Erkrankungen mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, ist also erreicht. Beschäftigen werden uns jedoch vor allem hohe Infektionszahlen. Gleichzeitig werden wir einen starken Anstieg anderer, saisonaler Erkältungskrankheiten und mit viel Pech auch eine heftige Grippewelle (Influenza) sehen, wie sie Australien zuletzt erlebt hat.
Was wissen wir über die neu zugelassenen Impfstoffe?
Moderna und Biontech haben Ihre mRNA-Impfstoffe angepasst, die Behörden die Zulassung erteilt. Basis dafür waren vergleichsweise kleine Studien, im Falle von Biontech teilweise ausschließlich Daten aus Tierversuchen. Was auf den ersten Blick überrascht und wenig vertrauenswürdig erscheint, ist im Falle der saisonal angepassten Grippeimpfstoffe seit Jahren gelebte Praxis. Denn der Impfstoff an sich in seiner Zusammensetzung wurde nicht verändert, lediglich die Information der mRNA angepasst. Sprich: das Immunsystem erhält einen leicht veränderten Bauplan für das Spikeprotein, das Ergebnis der Antikörperbildung bleibt identisch. Wichtig: 50 % des Impfstoffes ist noch „der alte Impfstoff“ gegen das Ursprungsvirus. Grund dafür ist die frühere Befürchtung der Expert*innen, dass die ursprüngliche Variante wieder dominant werden könnte. Der verzeichnete Anstieg neutralisierender Antikörper der angepassten Impfstoffe gegenüber den alten Impfstoffen fällt mit doppel- bis neunfach niedriger aus, als von Wissenschaftler*innen erwartet. Neben der Immunflucht wird als Grund dafür die immunologische Prägung diskutiert: unser Immunsystem wurde durch Infektion oder Impfung auf den ursprünglichen Virustyp geprägt. Jeder weitere Kontakt mit dem Ursprungsvirus, wie er in den neuen Impfstoffen enthalten ist, führt zu einem überproportionalen Anstieg der Ursprungsvirus -Antikörper zum Nachteil der Bildung von Antikörpern der neueren Varianten. Das reduziert den Effekt der Impfung. Wäre also ein alleiniger Impfstoff gegen BA4/5 wirksamer? Vermutlich ja.
Und was ist mit einer Vermeidung von Infektionen? Dazu sind zwei Informationen wichtig: die Zulassungsdaten zu den neuen Impfstoffen enthalten dazu keine Informationen. Hier müssen wir auf Daten klinischer Studien warten, die aktuell laufen. Aber vor allem: für die Vermeidung von Infektionen ist die Abwehr auf den Schleimhäuten besonders wichtig. Diese wird durch Schleimhaut-IgA-Antikörper vermittelt, deren Bildung durch eine Impfung in den Muskel nur reduziert gebildet werden. Deshalb stehen als Spray verabreichte Impfstoffe im Fokus aktueller Impfstoffentwicklungen. Mit einer Zulassung ist in der bevorstehenden Wintersaison aber nicht zu rechnen.
Impfungen haben den Unterschied gemacht, warum empfiehlt die STIKO eine weitere Impfung nur für Menschen über 60 Jahre und jüngeren mit relevanten Vorerkrankungen?
Ziel bleibt weiterhin vor allem die Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe. Gefährdet dafür bleiben ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Gleichzeitig lässt bei Älteren der Immunschutz durch die Impfung schneller nach als bei Jüngeren. Trotz der oben genannten Limitierungen der neuen Impfstoffe ist eine vierte Impfung dieser Gruppe zu empfehlen. Sechs Monate nach der letzten Impfung oder nach einer durchgemachten Infektion. Wichtig zu wissen: jeder kann sich unabhängig von der STIKO-Empfehlung natürlich aus persönlichen Gründen für eine vierte entscheiden. In diesen Fällen ist eine persönliche Beratung mit dem Hausarzt vorab sinnvoll.
Kann ich mich vor Long-Covid schützen?
Long-Covid, also Symptome mehr als drei Monaten nach einer Covid-Infektion, bleibt eine Herausforderung. Zum einen, weil sie nicht mit der Schwere der Infektion korrelieren. Zum anderen, weil die Breite an Symptomen groß ist. Deshalb empfiehlt sich immer die Vorstellung Betroffener an einem interdisziplinären Zentrum, die oftmals Unikliniken gebildet haben. Der Forschungsbedarf bleibt jedoch sehr hoch. Die Vermeidung einer Infektion (Impfung, allgemeine Maßnahmen zum Infektionsschutz), kein Vitamin-D-Mangel und 150 Minuten Sport pro Woche sind auf jeden Fall empfehlenswert.
Was ist eine gute Strategie für den Winter?
Lassen Sie sich mit den angepassten Impfstoffen impfen, sofern Sie zu der von der STIKO empfohlenen Gruppe zählen.
Nutzen Sie das Angebot zur Impfung gegen die saisonale Grippe, auch wenn Sie jünger sind. Übrigens können beide Impfungen zum gleichen Zeitpunkt gegeben werden.
Substituieren Sie Vitamin D: zwischen Oktober und März in einer Dosierung von 20.000 bis 40.000 Einheiten pro Woche. Lassen Sie ggf. den Vitamin-D-Spiegel bei Ihrem Hausarzt bestimmen. Dieser Wert ist selbstverständlich auch Bestandteil des PREVENT.ON-Checkup.
Tragen Sie eine Maske, wann immer es sinnvoll ist, am besten FFP2: in geschlossenen Räumen, bei engem Kontakt zu Menschen und vor allem, wenn Sie einen Infekt haben (egal welchen!)
Treiben Sie Sport: Studiendaten zeigen einen guten Infektionsschutz, insbesondere vor schweren Verläufen, durch Bewegung. Bereits die erste Trainingseinheit der Woche schützt! Sinnvoll sind 150 Minuten moderates Training pro Woche.